Ein Ehepaar hatte sich in einem sogenannten Berliner Testament wechselseitig zu Erben eingesetzt und bestimmt, dass ihre vier Töchter Schlusserben nach dem Tode des Letztversterbenden werden sollten. Zugleich hatten sie angeordnet, dass ein Kind, dass nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil fordert, auch nach dem Tod des später Versterbenden auf den Pflichtteil beschränkt sein sollte (Pflichtteilsstrafklausel).
Die jüngste Tochter des Ehepaars war seit ihrer Geburt schwerbehindert, lebte in einer Behinderteneinrichtung und stand im Leistungsbezug eines Sozialhilfeträgers.
Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1997 machte der Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht der jüngsten Tochter gegen die überlebende Mutter erfolgreich einen Pflichtteilsanspruch geltend. Mit einem im Jahre 1998 errichteten notariellen Testament setzte die Mutter alle vier Töchter zu gleichen Teilen als Erben ein und ordnete bezüglich ihrer jüngsten Tochter eine Vorerbschaft an, wobei ihre Schwestern Nacherben sein sollten (sogenanntes Behindertentestament). Hiermit sollte ein weiterer Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Erbe der behinderten Tochter beim Versterben der Mutter verhindert werden.
Nach dem Tode der Mutter im Jahre 2010 verlangte der Sozialhilfeträger von den drei weiteren Schwestern erneut den Pflichtteil. Diesen verweigerten die Schwestern unter Hinweis darauf, dass ihre jüngste Schwester aufgrund des Testaments aus dem Jahre 1998 Vorerbin und deswegen nicht pflichtteilsberechtigt sei.
Zu Unrecht, befand das Oberlandesgericht Hamm. Nach der Entscheidung des Gerichts war die Mutter an die Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament gebunden und konnte in ihrem Folgetestament nicht mehr anderweitig verfügen.